Reisebericht
06.05.2000 Venedig - Italien
Nach anstrengenden Wochen mit dem Umbau der Motorräder (großer
Tank, stärkere Scheinwerfer, Werkzeugkiste, Tankrucksackbefestigung,
Bordsteckdose, etc.), der Suche nach den jeweiligen Ersatzteilen, dem Zusammenstellen
der Reiseapotheke und der Zusammenstellung der Reiseapotheke und der
Vervollständigung der Ausrüstung sind wir gestern Mittag endlich
bei herrlichem Wetter zu unserer großen Fahrt aufgebrochen.
Bereits an der ersten Tankstelle (500m nach dem Start) wurde Stefans
Reifendruck auf Vordermann gebracht, danach ging es ohne größere
Probleme nach Garmisch und über die Brenner Bundesstraße nach
Italien. Nach dem Verlassen Deutschlands verschlechterte sich das Wetter
zunehmend, bei immer wiederkehrenden Schauern erreichten wir am Abend Brixen,
wo wir in der Jugendherberge neben dem Dom die Nacht verbrachten.
Heute Morgen besichtigten wir den Brixener Dom mit den bekannten Kreuzgangfresken.
Über das Grödener Joch und den Passo di Rolle verließen
wir die Dolomiten. Schlagartig wurde es erheblich wärmer. Inzwischen
steht unser Zelt und bereits morgen werden wir mit der Fähre Italien
in Richtung Griechenland verlassen. Natürlich lassen wir uns vorher
einen Besuch der weltberühmten Sehenswürdigkeiten Venedigs nicht
entgehen.
16.05.2000 Alexandroupoli - Griechenland
Genau eine Woche sind wir jetzt in Griechenland und der Aufenthalt begann
nach 10 Minuten bereits damit, dass Peter beim Kauf seiner BILD-Zeitung
gewaltig übers Ohr gehauen wurde. Unsere Abreise aus Italien verlief
ohne unangenehme Zwischenfälle.
Nachdem wir am Morgen unsere Motorräder am Fährhafen abgestellt
haben, sind wir in die Stadt marschiert und schauten uns die wichtigsten
Sehenswürdigkeiten an: den Markusplatz (mit den Scharen ekliger Tauben),
den Dom (war leider geschlossen), den Dogenpalast, die Rialto-Brücke,
die Gondeln auf dem Canale Grande und den McDonalds. Am Nachmittag mussten wir dann ewig wegen der Fährtickets anstehen, aber im Gegensatz zu
den beiden Pkw-Fahrern vor uns haben wir problemlos noch eines bekommen,
schließlich lassen sich zwei Motorräder immer noch in irgendeiner
Nische verstauen.
Außerdem hatten wir auch noch Glück, bei dem aufkommenden
Regen schon an Bord gewesen zu sein und nicht noch vor dem Schiff. Die
Überfahrt verlief bei ruhiger See problemlos und wir hatten viel Zeit,
unsere weitere Reise detaillierter auszuarbeiten.
Entgegen unserer ursprünglichen Planung, in Igoumenitsa von Bord
zu gehen, entschlossen wir uns, eine weitere Nacht auf dem Schiff zu verbringen
und bis Patras weiter zu fahren, da wir so noch die Ausgrabungen von Delphi
und einige für Motorradfahrer sehr reizvolle Bergstraßen zwischen
Karpenisi und Trikala in unsere Route aufnehmen konnten. Nach anfänglichen
Orientierungsschwierigkeiten bei der Suche nach der Fähre vom Peloponnes aufs Festland (Peter ist an der richtigen Ausfahrt vorbei gefahren und
die Alternativfähre fuhr nur alle drei Stunden) fanden wir dennoch
unseren Weg nach Delphi und kamen dort um 14 Uhr 45 an, um gerade noch
in das archäologische Museum eingelassen zu werden.
Über Lamia kamen wir auf eng gewundenen Straßen nach Karpenisi
wobei die letzten Kilometer bei strömendem Regen zu bewältigen
waren. Insgesamt war das Wetter aber traumhaft und auch der Regenschauer
am Abend dauerte nicht lange. Wir waren dennoch klatschnass, so dass
wir ein Hotelzimmer in einem völlig leeren Hotel nahmen, das gegenüber
der Hauptsaison spottbillig war.
Der folgende Tag bescherte uns eine 350 km lange Bergetappe mit zahllosen
Serpentinen und kleinen teilweise unbefestigten Straßen, die uns
durch entlegene Bergdörfer führten. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit
erreichten wir den Zeltplatz in Kastraki am Fuße der Meteora-Klöster.
Am folgenden Donnerstag war dann wieder ein Tag Ruhe angesagt, wobei
Stefan das Kloster Metamorphossis besichtigte, das größte und
höchstgelegene der Meteora-Klöster. Peter, der das Kloster schon
im vergangenen Jahr gesehen hat, erholte sich in der Zeit von seiner leichten
Erkältung.
Am Nachmittag versuchten wir, in einem Internet-Café einen Bericht
zu schreiben und unsere Mails abzurufen, aber der Besitzer konnte uns bei
dem Umgang mit der griechischen Version des Internet-Explorers wenig helfen
und die Verbindung war auch viel zu langsam.
Die nächste Tagesetappe führte uns von den Meteora-Klöstern
vorbei am Berg Olympus bis vor die Tore Thessalonikis. An diesem Tag hatte
Stefan mit einer Erkältung zu kämpfen (wir teilen eben fast alles
auf dieser Reise) und so entschlossen wir uns zur Abwechslung wieder für
ein Hotel. Unterwegs wurden wir einmal von einem kurzen Regenschauer erwischt
aber insgesamt war es schon recht heiß, so dass die kühle Dusche
am Abend im Hotel nicht unwillkommen war.
Schon bevor wir die Motorräder am nächsten Morgen (Samstag)
beladen hatten, war Peter schweißgebadet von der Hitze. Mal sehen,
wie das wird, wenn es richtig heiß ist.
In Thessaloniki haben wir wieder ein Internet-Café gefunden
und diesmal konnte uns auch bei der Konfiguration des E-Mail-Accounts geholfen
werden. Am späten Nachmittag haben wir die Stadt wieder verlassen
und sind genau in den Regen hineingefahren.
Zum Glück haben wir nicht die ganze Wucht dieser Sintflut abbekommen,
die zum Teil Sand und Kies auf die Straßen gespült hat und riesige
Pfützen bildete. Um nicht nachts noch mit dem Zelt weggespült
zu werden, nahmen wir uns für die folgenden zwei Nächte ein Zimmer
in einer netten Privatunterkunft in Olympiada, dem Geburtsort Aristoteles',
an der Ostküste der Chaldiki-Halbinsel. Am Sonntagmorgen brachen wir
bei kühlen Temperaturen und bedecktem Himmel zu einer Umrundung der
Halbinsel Sithonia auf, von wo wir am Nachmittag bei Sonnenschein einen
herrlichen Blick auf den Berg Athos hatten. Ein Besuch der Mönchsrepublik
Athos wäre mit Sicherheit interessant aber eine Genehmigung muss in Thessaloniki beantragt werden und das kann wochenlang dauern. Frauen
ist der Zutritt übrigens absolut untersagt, nicht dass die Mönche
auf unkeusche Gedanken kommen.
Gestern haben wir dann auf unserer Weiterfahrt nach Alexandroupoli
die Ausgrabungen in Filipi bei Kavala besichtigt. Hier in Alexandroupoli,
45 km vor der türkischen Grenze, machen wir heute einen ruhigen Tag
bevor wir morgen weiter nach Istanbul fahren werden.
19.05.2000 Istanbul - Türkei
In Alexandroupoli hatten wir das Glück, der Olympischen Flamme
auf ihrem Weg von Griechenland nach Australien zu begegnen. In einem abendlichen
Festakt am Hafen wurde das olympische Feuer den Australiern übergeben
und viele wichtige Reden gehalten.
Unsere Ausreise aus Griechenland dauerte nicht einmal fünf Minuten,
die Einreise in die Türkei mehr als eine Stunde. Zoll, Polizei, Fahrzeugregistrierung...
überall anstehen ... überall Stempel abholen.. Aber letztendlich
durften wir dann problemlos einreisen.
Die nicht sehr ansprechende Landschaft bis Istanbul versuchten wir
möglichst schnell hinter uns zu lassen, so schnell, dass wir gleich
von einer Polizeistreife herausgewunken wurden, weil wir eine durchgezogene
Linie missachtet hatten. Nach einigem Hin und Her (keiner verstand
den anderen) kamen wir mit der Geldstrafe ziemlich glimpflich davon.
In Istanbul fanden wir mit Hilfe eines Taxifahrers, der sich als Lotse
betätigte, relativ zügig in die Altstadt, um dort eine Unterkunft
zu suchen. Schnell mussten wir uns an die in unseren Augen aufdringlichen
Zimmervermittler, Schuhputzer, Kellner, Straßenhändler und Guides
gewöhnen. Ganz Istanbul war im UEFA-Pokalfieber. Auch wir sahen uns
neben der Blauen Moschee das Spiel gemeinsam mit 300 Türken auf einer
größeren Leinwand an. Der Sieg von Galatasaray Istanbul wurde
frenetisch gefeiert. Selbst Feuerwehr, Ambulanz und Polizei fegten mit
Blaulicht und Sirenen durch die Straßen und jeder war aus dem Häuschen.
Gestern (18.05.) besuchten wir dann die Hagia Sophia, die Blaue Moschee
und den Topkapi-Palast, mit seinem bekannten Harem. Zu Peters Bedauern
sind in dem Harem nur noch die Räumlichkeiten zu besichtigen. Am Abend
wurde die Blaue Moschee in einer spektakulären Illuminationsshow in
verschiedene Farben getaucht. Der richtige Abschluss für einen
Tag an dem wir erfahren haben, dass unsere längst überfälligen
Visa für den Iran endlich auf dem Weg nach Ankara sind. Morgen (20.05.)
verlassen wir Istanbul in Richtung Troja.
23.05.2000 Pamukkale - Türkei
Das Verlassen von Istanbul vor drei Tagen am 20.5. gestaltete sich erheblich
einfacher als das Auffinden der Altstadt bei unserer Ankunft in dieser
Metropole. Obwohl wir uns zunächst nur an der Himmelsrichtung und
nichtssagenden Stadtteilnamen orientieren konnten, fanden wir auf Anhieb
die richtige Brücke über den Bosporus nach Asien, danach ging
es weiter auf der Autobahn nach Ankara, auf der wir dann bis nach Izmit
fuhren, der Stadt, die im vergangenen Jahr von katastrophalen Erdbeben
heimgesucht wurde. An vielen Gebäuden waren noch die Spuren sichtbar
und die noch immer existierenden Zeltlager und Containersiedlungen gaben
uns eine leichte Vorstellung davon, was die Bevölkerung hier erlebt
hat.
Wir setzten unsere Reise jetzt in westlicher Richtung zunächst
entlang der Küste fort und bogen bei Yalova nach Bursa ab. Weiter
ging es dann über Bandirma bis kurz hinter Canakkale, wo wir nach
gut 500 km Fahrstrecke relativ erschöpft unser Zelt auf einem Campingplatz
aufbauten. Dass diese Tagesetappe ganz so lang sein würde, hatten
wir vorher nicht erwartet, aber letztendlich waren wir froh, in einem Stück
die Strecke bewältigt zu haben, weil sie landschaftlich bis auf die
letzten Kilometer nicht allzu viel zu bieten hatte.
Am Sonntag, den 21.5., besichtigten wir zunächst, bei genauso
herrlichem Wetter wie an den Tagen zuvor, die Ausgrabungen von Troja. Gegen
Mittag machten wir uns dann auf den weiteren Weg Richtung Bergama, das
wir am späten Nachmittag erreichten. Die letzten 50 km dieses Tages
von der Küste weg durch die Berge war sehr schön und viele türkische
Familien nutzten die Wälder zum Picknickmachen. Auf diesem Stück
gerieten wir wieder einmal in eine Polizeikontrolle. Diesmal ging es den
Beamten allerdings nur um die Fahrzeug- und Personalpapiere und nachdem
wir diese präsentiert hatten, durften wir weiterfahren.
Nach dem Aufbauen des Zeltes nutzten wir den nebenan gelegenen Swimmingpool
für eine kühle Erfrischung. Abends kochten wir uns auf unserem
guten Benzinkocher eine Portion Spaghetti mit Tomatensauce, Käse und
Thunfisch, von der in einem Restaurant vermutlich sechs Leute hätten
satt werden müssen. Für vier wäre es eine reichliche Mahlzeit
gewesen und wir zwei hatten so viel, dass wir danach pappsatt waren, uns
kaum noch bewegen konnten und trotzdem noch einiges übrig hatten.
Gestern Vormittag (22.5.) besichtigten wir die Akropolis von Pergamon,
die bisher wohl interessanteste Ausgrabungsstätte auf unserer Reise.
Dabei erfuhren wir, dass Studenten mit dem internationalen Studentenausweis
zu Museen, die von der UNESCO unterstützt werden, freien Eintritt
haben. Mittags ging es dann wieder weiter nach Pamukkale, das wir nach
gut 350 km erreichten. Unterwegs wurde uns bei einem schlaglochübersäten Straßenabschnitt wieder einmal klar, dass die Qualität der griechischen
Straßen besser war, dafür ist die Fahrweise der türkischen
Autofahrer erheblich rücksichtsvoller, wie die Menschen insgesamt
sehr freundlich und aufgeschlossen sind. Am Abend bauten wir wieder unser
Zelt auf und aßen dann als einzige Gäste in dem angrenzenden
Restaurant, das Mittags Busladungen voll Touristen abfertigt.
Heute haben wir bislang unsere dreckige Wäsche gewaschen, bei
Stefans Motorrad die Ventile neu eingestellt und bei Peters Motorrad den
Federweg des Hinterrads vergrößert, damit das vollbepackte Motorrad
vielleicht in Zukunft besser stehen bleibt. Am Nachmittag werden wir uns
dann noch die hiesigen Kalksinterterrassen und morgen geht es weiter Richtung
Ankara, wo wir am Donnerstag hoffentlich ein Wiedersehen mit unseren Pässen
feiern dürfen.
24.05.2000 Pamukkale - Türkei
Gestern Nachmittag, 23.05., sind wir gegen 16.30 Uhr zu den Kalkterrassen
aufgebrochen. Da diese nur ca. 1km entfernt sind, verzichteten wir auf
unsere schwere Motorradkleidung und trugen lediglich dünne Hemden
und unsere Sommerhosen. Eine fatale Fehlentscheidung, wie sich nur wenige
hundert Meter hinter unserem Campingplatz herausstellte. In einer uneinsehbaren Rechtskurve einer Nebenstraße passierte der Alptraum eines jeden
Motorradfahrers. Peter kommt plötzlich ein Traktor mit Anhänger
auf seiner eigenen Fahrspur entgegen. Obwohl die Geschwindigkeit beider
Fahrzeuge gering war, war es unmöglich, das Motorrad in seiner Kurvenschräglage
rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Peter stürzte und schlitterte über
den rauen Asphalt. Der Traktor zuckelte langsam auf die für ihn gedachte
rechte Fahrspur und hielt an. Da Stefan einigen Abstand zu Peter hatte,
kam er erst dazu als das Motorrad auf der Straße lag und die türkische
Bauernfamilie (6 Leute) vom Anhänger stieg.
Peter humpelte schon wieder auf der Straße herum, sein Hemd war
zerrissen, sein rechter Oberarm von einer großen Schürfwunde
überzogen, sein Ellbogen blutete ein wenig und seine Hüfte hatte
eine leichte Prellung abbekommen. Und schon ging das Gezeter los: "Habala,
habala, habala.....Allah.....habala, habala, habala....". Wir verstanden
kein Wort, wussten nicht, was das Geschrei sollte, haben erst mal
das Motorrad aufgerichtet und versucht unsere Gedanken zu sortieren. Die
türkische Familie wollte wohl wissen, ob Peter große Schmerzen
hat, die offensichtliche Wunde am Arm interessierte wenig und nachdem wir
ihre Adresse verlangt hatten zuckelten sie wieder weiter. Das Motorrad
lief noch und hatte augenscheinlich keinen größeren Schaden
abbekommen, so dass wir zunächst zurück zum Campingplatz fuhren,
wo sich der wirkliche Schaden herausstellte und wir erst so langsam realisierten,
was wirklich passiert war. Die Bremsscheibe und die Vorderachswelle waren
leicht verbogen und müssen neu beschafft werden.
Auch machten wir uns Vorwürfe, nicht die Polizei verständigt
zu haben, allerdings wäre deren Hilfe äußerst fragwürdig
gewesen. Zum einen stehen sechs Aussagen gegen die von Peter und zum anderen
wäre sprachliche Barriere wohl zu unserem Nachteil gewesen. Diese
Sicht bestätigten uns auch die türkischen Campingplatzbesitzer.
Momentan waren wir auf die Ersatzteile und Peters Schürfwunden haben
Zeit abzuheilen, bevor unsere Reise weitergeht. Zum Glück ist Peter
nur mit ein paar leichten, wenn auch schmerzhaften, Schürfwunden glimpflich
davongekommen.
31.05.2000 Pamukkale - Türkei
Eigentlich dachten wir, der Alptraum eines jeden Motorradfahrers sei
ein auf der falschen Seite fahrender Gegenverkehr in einer Kurve, aber
das Nachspiel unseres Unfalls, nämlich die Ersatzteilbeschaffung mittels
eines großen deutschen Automobilclubs, hat unsere Nerven wohl stärker
belastet, als es jene Begegnung mit dem Traktor jemals vermocht hätte.
Die Mitgliedschaft in besagtem Automobilclub umfasst auch die
Ersatzteilbeschaffung, so diese Teile im jeweiligen Land nicht erhältlich
sind. Die ersten Anrufe in München und Istanbul waren sehr vielversprechend:
"Man werde sich darum kümmern die Teile in der Türkei ausfindig
zu machen, gäbe es sie dort nicht, werden sie aus Deutschland zugeschickt,
in spätestens 3 Tagen sei die Sache erledigt."
Zwei Tage später (um 22 Uhr 45) landeten die Teile aus Deutschland
via Lufthansa in Istanbul, jetzt war der Vertreter des Automobilclubs in
Istanbul gefragt. Das Drama begann. "Die Teile lägen beim Zoll, seine
Mitarbeiter würden sie aber sofort abholen". "Der Zoll brauche zur
Abwicklung 4 Tage (es liegt immerhin ein Wochenende dazwischen) da könne
man nichts machen". "Der Zoll benötigt eine Bestätigung, dass
die Teile in der Türkei nicht erhältlich sind" (die muss das Clubmitglied erbringen und nach Istanbul schicken, dabei war es die
Entscheidung des Automobilclubs, die Teile aus Deutschland kommen zu lassen).
"Die Teile seien nicht schon vor 5 Tagen sondern erst vor 3 Tagen in
Istanbul angekommen". "Das Gesetz hat sich geändert (allerdings erst
nach 8 Tagen Telefonstreit), das Clubmitglied müsse persönlich
in Istanbul erscheinen".
"Könnten Sie nicht die Kosten für das Flugticket vorschießen,
ich werde sie Ihnen dann ersetzten".
Auf die Nachfrage, wo man sich am Flughafen in Istanbul treffen werde,
hieß es: "Sind Sie zum ersten Mal in der Türkei? Sie werden
doch wohl alleine zum Zoll finden! Er arbeite völlig alleine, hätte
keine Mitarbeiter und könne das Büro nicht verlassen."
Dieses Feuerwerk an Unfähigkeit, Inkompetenz, Unwahrheit und Unverschämtheit
gepaart mit dem 10tägigen Aufenthalt auf einem drittklassigen Campingplatz
in der türkischen Pampa zwischen Ankara und Ismir war das bisher nervenaufreibendste
Erlebnis unserer Reise.
Nebenbei bemerkt: In der Zwischenzeit haben wir in nicht einmal 24
Stunden 3 neue Enduroreifen (es gibt hier in der Türkei fast keine
Endurofahrer!) aus Istanbul geschickt und montiert bekommen. Mehmet, Mustafa,
Erkan, dem "Professor" und allen anderen Beteiligten Mechanikern und Dolmetschern
sei an dieser Stelle nochmals herzlichst für ihre endlosen Telefonate
und ihren unermüdlichen zeitraubenden Einsatz gedankt. Sie waren es
auch, die uns vorgeschlagen haben, die Teile (Vorderachswelle und Bremsscheibe)
auf einer Drehbank nachzudrehen. Aber das war am 2. Tag, da dachten wir
noch: "Morgen haben wir die Teile durch die freundliche Unterstützung
unseres Automobilclubs", dessen Mitglieder wir wohl die längste Zeit
gewesen sind.
04.06.2000 Ortahisar - Türkei
Nachdem sich Peter am 31.5., glücklicherweise mit türkischer
Unterstützung, erfolgreich durch den Dschungel der Zollbehörden
gekämpft hat und letztendlich die Teile mit dem Flugzeug am Morgen
des 1. Juni nach Pamukkale zurückbrachte, konnten wir unsere Reise
nach schier endlosem Warten endlich fortsetzen. Das Ziel hieß "Deutsche
Botschaft in Ankara" und am Vormittag des 2. Juni trafen wir dort kurz
nach unseren Pässen ein.
Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Ankaraer Krankenhaus, wo Peter
seine Hüftprellung vom Unfall untersuchen ließ (Diagnose: absolut
unbedenklich) ging es geradewegs nach Kapadokien und in den Regen. Unsere
Motorradklamotten sind seit 3 Tagen nicht richtig trocken geworden, weshalb
wir auch einen Tag länger als geplant hier im Hotel "Berlin" bleiben
werden.
Kapadokien ist bekannt durch seine bizarre Tuffsteinlandschaft. Viele
Höhlen, Kirchen und Klöster wurden seit Jahrhunderten in den
weichen Fels gegraben, in Derinkuyu gibt es sogar eine unterirdische Stadt
mit 8 Stockwerken. Dort war es auch wo sich ein Nagel in Peters nagelneuen
Hinterreifen bohrte. Das Loch im Schlauch konnte aber in einer 200 m entfernten
Werkstatt geflickt werden und anstatt uns die Hände schmutzig zu machen,
tranken wir den obligatorisch angebotenen Tee. Bei mittlerweile wieder
strömendem Regen fuhren wir zurück zu unserem Hotel, wo wir tropfnass ankamen und jetzt darauf hoffen, dass wir morgen bei Sonnenschein die herrliche
Landschaft genießen können.
10.06.2000 Erzurum - Türkei
Das Wetter in Kapadokien wurde leider nicht entscheidend besser und
auch das Motorrad von Stefan zeigte immer mehr Macken (Benzinschlauch undicht,
dritte Glühbirne innerhalb von ein paar Tagen, kein konstantes Leerlaufgas
mehr, Leistungsabfall im oberen Drehzahlbereich, etc.). Am 6. Juni verließen
wir Kapadokien, aber anstatt bis nach Sivas zu fahren, kommen wir nur bis
nach Kayseri, wo Stefans Kiste erst vor einer Ampel fast nicht mehr anspringen
wollte (bis zum erfolgreichen Anlassen vergingen drei Grünphasen),
um dann 300 m weiter endgültig den Geist aufzugeben. Nachdem wir in
der prallen Sonne neben einer vierspurigen Einfallstrasse drei Stunden
alles mögliche zerlegt und ausprobiert hatten (Zündkerzen ausgetauscht,
Benzinlauf kontrolliert, Zündspule ausgetauscht, Vergaser ausgebaut
etc..) war guter Rat teuer, den die zahlreichen Zuschauer, die wir über
die Zeit gewannen, auch nicht hatten. Der Bock gab keinen Zucker von sich.
Der absoluten Verzweiflung nahe, kam dann ein Türke, der für
uns einen LKW organisierte und mit uns gemeinsam zu der 5 km entfernten
Werkstatt des einzigen Motorradmechanikers in dieser 500 000 Einwohnerstadt
fuhr. Die Diagnose fiel verheerend aus. Zylinder, Kolben, Ventile: alles
ist kaputt, zumindest übersetzte das ein selbsternannter Dolmetscher,
der 18 Jahre in Stuttgart gelebt hat. Der Preis war dementsprechend hoch,
aber was blieb uns anderes übrig, uns auf die Reparatur einzulassen?
Am Tag darauf war das Motorrad repariert und lief super. Obwohl uns die
schnelle Reparatur spanisch vorkam, bestand der Dolmetscher auf dem Preis
und wir bezahlten, weil angeblich alles neu sein sollte. Am Abend hatten
wir dann genug Zeit nachzudenken und unsere Gedanken logisch zu ordnen
und beschlossen, am nächsten Morgen noch mal bei der Werkstatt vorbeizuschauen,
um zu erfahren, wie viel von der Kohle dem Mechaniker zugeflossen sind.
Mangels Englisch- und Deutschkenntnisse rief er in unserem Hotel an,
und behauptete, dass der Dolmetscher ihm gegenüber angeblich vorgegeben
hat, beim Preis gleich noch einen Guidelohn und unsere Hotelkosten draufgeschlagen
zu haben. Der Mechaniker hat von unserem Geld nach eigenen Angaben nur
ein Drittel gesehen.
Diese Version brachte die Hotelleitung natürlich in Verruf, da
ihr unser Dolmetscher bekannt war und als ihr Sheppard (Touristenfänger)
agierte. Somit wurde vom Hotel die Polizei verständigt und der Dolmetscher
aufgetrieben, der ziemlich schnell eingestand, zwei Drittel der Summe in
seine eigenen Taschen gesteckt zu haben. Um sich von jedem Verdacht reinzuwaschen,
rief das Hotel auch gleich ein lokales Fernsehteam. Somit konnte man sich
medienwirksam als Beschützer der Touristen darstellen. Das Interview
mit uns zeichnete sich dadurch aus, dass unsere Antworten vier mal so lange
übersetzt wurden. Nach Aufnahme des Protokolls, der Erstellung der
Anzeige, der Rückgabe des Geldes und einem vom Hotel spendierten Mittagessen
ging es weiter nach Sivas. Von Dort kamen wir gestern bei traumhaften Wetter
entlang wunderschöner Bergszenarien hier in Erzerum (2000 m ü.
NN) an. In drei Tagen haben wir hoffentlich die Grenze zum Iran hinter
uns gelassen.
17.06.2000 Teheran - Iran
Vor 5 Tagen haben wir die Türkei verlassen und wie bei der Einreise mussten
wir wieder die verschiedenen Stempel an verschiedenen Schaltern
sammeln. Von den Beamten konnte wieder keiner Englisch, so dass es gut
eine Stunde dauerte, bis wir endlich das Land verlassen durften. Für
die Einreiseformalitäten des Iran waren wir daher auf alles gefasst.
Aber anstatt uns mit Händen und Füßen von Schalter zu Schalter
durchzuhangeln, kam sofort ein netter älterer Herr auf uns zu, stellte
sich als Touristenbeauftragter vor und half uns in bestem Oxford-English
die Hürden zu nehmen. Trotz der Hilfe des Herrn Hussein dauerte die
ganze Prozedur seine Zeit, da Stromausfall war und auch die iranischen
Behörden auf Computer angewiesen sind.
Wie auch schon im Osten der Türkei beeindruckte uns zunächst
die herrliche Landschaft und die Freundlichkeit der Menschen. Zu einem "How are
you?", "What's your name?" oder "Where are you from?" reichten
die Englisch-Kenntnisse bei erstaunlich vielen Menschen.
Am letzten Tag in der Türkei waren wir noch zwei Eidgenossen begegnet,
die auf zwei in Indien gekauften Enfield-Motorrädern auf dem Weg zurück
in die Schweiz waren und uns darauf einstimmten, dass alles immer schlechter
würde, je weiter wir nach Osten kämen. Nun, zumindest für
den Übergang von der Türkei in den Iran galt das nur sehr bedingt.
Was die Kleidung der Frauen angeht, so hatten wir damit gerechnet,
von Gesichtern bis Pakistan nichts zu sehen, weil diese durch den Gesichtsschleier
verdeckt würden. Auch hier wurden wir eines besseren belehrt. Schwarze
Umhänge und Kopftücher sind zwar der Standard, aber man sieht
auch buntere Varianten; Blue Jeans, hohe Absätze und lange Haare schauen
schon gelegentlich darunter hervor. Essen und Übernachtungen sind
vergleichsweise billig und Benzin mit etwa 12 Pfennig pro Liter geradezu
geschenkt, immerhin hat es in der Türkei fast 20 mal so viel gekostet.
Die Temperaturen waren bisher auch noch ganz gut erträglich, wobei
wir uns immer noch relativ hoch aufhalten (Teheran liegt zwischen 1000
und 1700 m über dem Meer) und zum Motorradfahren geradezu ideal. Ein
deutlicher Qualitätsanstieg gegenüber der Türkei ist in
der Beschaffenheit der Straßen zu sehen, die durchwegs deutschen
Standard genügen und somit das Fahren erheblich entspannter machen.
Seit gestern sind wir jetzt in der Metropole Teheran, wo wir morgen
unser pakistanisches Visum verlängern lassen , damit wir nicht unter
Zeitdruck stehen, Pakistan in Kürze erreichen zu müssen. Heute
haben wir uns mal wieder um Stefans Motorrad gekümmert, das uns schon
ein bisschen Sorgen bereitet, vor allem nachdem wir jetzt wissen,
dass zwei Schrauben vom Ventilkopf abgedreht sind, was eine Erklärung
für den relativ hohen Ölverlust darstellt.
Mit der Anzahl der Internetcafés ging es nach der Türkei
praktisch auf Null. Wir haben allerdings gehört, dass das auch hier
im Kommen ist und nach einiger Suche haben wir auch eines in Teheran aufgetrieben.
Nach der Verlängerung des Visums geht es übermorgen weiter
nach Isfahan.
24.06.2000 Teheran - Iran
Es kommt halt doch immer anders als man denkt und im Nachhinein ist
man klüger als vorher.
Nach Teheran sind wir gefahren, um unser Visum für Pakistan zu
verlängern, da dieses nur bis 2.7.2000 gültig ist. Wie wir von
der pakistanischen Botschaft erfuhren, bezieht sich das Datum aber nur
auf den Tag der Einreise und danach darf man 90 Tage im Land bleiben. Somit
war unsere Fahrt nach Teheran eigentlich überflüssig geworden
und wir könnten schon fast in Pakistan sein. Den verbleibenden halben
Tag nach dem Botschaftsbesuch nutzten wir noch zur Besichtigung des Azadi-Monuments
(leider nur von außen) und des Sommerpalastes des Schah.
Am 19.6. brachen wir schon um 7 Uhr 30 auf, um möglichst vor dem
aufkommenden Berufsverkehr die Stadt verlassen zu haben. Bei der Auffahrt
zur Autobahn wurden wir von der Polizei gestoppt, da Motorräder die
Autobahn nicht benutzen dürfen, aber nachdem Peter erklärt hat,
dass wir auch nach Teheran auf der Autobahn fuhren, lies sich der Polizist
erweichen und wir durften weiterfahren - allerdings nur ganz auf der rechten
Seite. Direkt hinter der ersten Mautstelle hielten wir nochmals an und mussten feststellen, dass Stefans Motor mehr Öl verlor als vorher
(tropf, tropf, tropf ....).
Wir entschieden uns also zur Rückkehr nach Teheran, um den Motor
in einer Werkstatt reparieren zu lassen. Eine Werkstatt und einen Dolmetscher
hatten wir schnell gefunden, aber der Mechaniker konnte uns nicht helfen,
kannte wohl keine so großen Motorräder (im Iran sind nur 200
ccm erlaubt und unsere haben 600 bzw. 650 ccm), so dass wir noch eine Weile
mit dem Dolmetscher suchten, bis wir schließlich in der Werkstatt
landeten, die auch die BMW-Motorräder der Polizei wartet. Hier war
Stefans Motorrad in guten Händen und obwohl der 20.6. ein Feiertag
war (Mohammeds Geburtstag) bekamen wir mittags das reparierte Motorrad
zurück.
Das Motorrad war jetzt zwar wieder in Ordnung, dafür entwickelte
sich Peters Magenverstimmung über Nacht zu einer richtigen Darmgrippe
mit Fieber, Schüttelfrost, Durchfall und Appetitlosigkeit. Am Nachmittag
des 21.6. ging es deshalb nicht Richtung Isfahan, sondern in die Praxis
von UN-Arzt Dr. Ameli, der wohl die ärztliche Versorgung der Diplomaten
und der Wohlhabenden übernimmt. Nach Einnahme der verschriebenen Tabletten
und Einhaltung der verordneten Diät (Tee, Cola, Elektrolytlösung,
Joghurt, Reis und Kekse) ging es Peter heute (24.6.) wieder gut und wir
hoffen, dass wir morgen doch endlich nach Isfahan kommen, schließlich
müssen wir bis 2.7. an der Grenze sein. Bitte bestellt für uns
beim "Peaches" (München/Neuhausen) eine Familienpizza "Spezial" postlagernd
nach Isfahan, wir können nämlich keinen Kebab mit Reis und Joghurt
mehr sehen!
02.07.2000 Quetta Pakistan
Nachdem wir Teheran endlich hinter uns gelassen hatten, erreichten wir
Isfahan ohne größere Komplikationen (mittags gab es wieder Kebab
mit Reis - bäh!!!). Unsere Unterkunft ist Anlaufstation für die
meisten Traveller. Am Abend trafen wir einen Dänen, der alle Länder
der Erde bereisen will (Iran war Nr.75), einen Italiener, der mit dem Rad
von Italien nach Tibet fährt und einen Deutschen, der mit dem Rad
in zwei Jahren die Welt umrundet.
Natürlich gab es auch noch jede Menge Backpackers, die ganz normal
mit Bus, Zug oder Flugzeug im Mittleren Osten umherreisen. Isfahan ist
eine wunderschöne Stadt, berühmt für seine Blaue Moschee,
seine Paläste, Parks und seinen Basar. Der eine Tag Aufenthalt war
sicher zu wenig für diese Stadt, dennoch machten wir uns am 27 Juni
nach Yazd auf. Hier waren schon deutlich die ersten Elemente der "Wüstenarchitektur"
zu sehen: Enge Gassen und Lehmbauten mit kleinen (keinen) Fenstern und
Belüftungskaminen. Danach ging es weiter via Kerman (unspektakuläre
Stadt) nach Bam, eine Oasenstadt am Rande der Wüste. Bam beeindruckt
vor allem durch seine verlassene und zu einem Museum umgewandelte Altstadt.
Sie ist von einer riesigen Befestigungsanlage umgeben und man darf sich
in den weitläufigen Ruinen frei bewegen und herumklettern. Unser Herbergsvater
kochte zwei mal persönlich für uns, und es waren zwei der seltenen
Mahlzeiten im Iran die viel Gemüse enthielten. Die nächste Tagesetappe
sollte uns zur iranisch-pakistanischen Grenze bringen. Da die kompletten
430 km durch die Wüste (Sand und Steine) führen sind wir bereits
um 5.30 Uhr aufgestanden und um 7.00 Uhr losgefahren, um die "kühleren"
Morgenstunden zu nutzen. Nach 15 km wurden wir von einer Straßensperre
aufgehalten, die uns die Weiterfahrt verweigerte, mit dem Hinweis, dass
die Route zu gefährlich sei und wir um 9.00 Uhr mit einer Eskorte
fahren müssten. Die Pässe wurden einbehalten, die bekämen
wir von der Eskorte zurück, hieß es. Wir durften warten und
zusehen wie die Sonne immer unerbärmlicher anstieg und Dutzende von
Autos und Lkws die Sperre problemlos passierten. Um 9.00 Uhr war natürlich
keine Eskorte da, um 9.30 Uhr wurde das Polizeipersonal verköstigt
und um 9.50 Uhr bekamen wir die Pässe zurück. Wir fragten nicht
lange nach, sondern fuhren sofort auf der unkontrollierten Gegenspur unserem
Ziel entgegen. Niemand ist so verrückt, freiwillig die 350 km zwischen!
Bam und Zahedan (reine Wüste , ein paar Berge) in den Mittagsstunden
zu befahren, zumindest hat uns keiner mehr überholt. Bei 45 Grad war
unser Wasserkonsum zwar hoch, hielt sich aber mit 2 Litern pro Person für
die fünf Stunden Fahrt in Grenzen. In Zahedan gab es dann wieder Kebab
mit Reis, bevor es zum Grenzort Mirjaweh weiterging. Diese letzte Fahrstrecke
(80km) im Iran war wohl eine der trostlosesten und deprimierendsten der
ganzen Reise. Ein Sturm wirbelte soviel Sand und Staub auf, dass man kaum
einen km weit sehen konnte und die Sonne hinter einem grauen Schleier verschwand.
Der Sand war danach überall zu finden, im Helm genauso wie in den
Taschen und in den Stiefeln. In dieser Endzeitstimmung fragt man sich wirklich
warum in dieser so unwirtlichen Gegend Menschen wohnen, aber in Mirjaweh
herrschte ein reges Treiben, wobei nur Männer zu sehen waren. Wir
konnten ein letztes Mal für 12 Pfennige pro Liter tanken (wie immer
bis der Tank überlief!) und fanden ein Hotel, wohl die einzige Herberge
im Dorf. Wäre die Ernährung nicht so einseitig und die Polizeiwillkür
nicht so uferlos gewesen, wir hätten den Iran wohl als das bisher
bezauberndste und beeindruckendste Land in Erinnerung behalten.
Die Grenze öffnete am nächsten Morgen um 8.00 Uhr und wir
waren die ersten am Checkpoint. Die iranische Seite war in einer Rekordzeit
von 30 Minuten überwunden, die pakistanische brauchte etwas länger.
Unser Weg führte uns weiter durch die Wüste nach Dalbandin. Die
erste Eindrücke von Pakistan: Das Essen ist traumhaft (Reis mit Gewürzen
und Gemüse, Fladenbrote die einem wieder an Brot erinnerten), die
Straßen sind zwei Kategorien schlechter, der Lebensstandard ist niedriger
die Lkws sind bunter (geradezu verspielt farbenprächtig), der Sprit
ist viel teurer und die Unterkunft und das Essen vergleichbar mit dem Iran.
Heute (2. Juli) haben wir endlich die Wüste hinter uns gelassen,
nachdem wir in der vergangenen Nacht bei 40 Grad im Zimmer sehr schlecht
geschlafen haben. Der Zustand der Straßen wurde zunehmend schlechter
aber alleine die kühlere Höhe von Quetta entschädigt für
alles.
08.07.2000 Islamabad - Pakistan
Von Quetta aus stellte sich die Frage, wie wir weiterfahren sollten,
da die eine Route als "Räuberstrecke" berüchtigt ist und die
andere durch die heißeste Stadt Pakistans führte, in der das
Thermometer im Schatten regelmäßig 50 Grad anzeigt. Nachdem
wir uns bei einer Touristeninformation und bei der deutschen Botschaft
informiert hatten, entschieden wir uns für die "Räuberstrecke"
durch die Berge und wurden mit einer herrlichen Landschaft und angenehmen
Temperaturen belohnt. In Ziarat, einem Ferienort der pakistanischen Oberschicht,
wurden wir von zwei kanadischen Familien zum Abendessen eingeladen, die
seit 3 bzw. 12 Jahren in Pakistan lebten. Nach einem unterhaltsamen Abend
mit "Uno"-Spielen brauchten wir nachts bei "nur" 25 Grad zum ersten Mal
seit langem wieder wollene Bettdecken.
Am folgenden Tag (04.07.) wurden die Straßen noch schlechter
und Schlaglöcher und Bodenwellen beanspruchten unsere Motorräder
so sehr, dass Peters eine Alubox irgendwann aus der Halterung fiel. Für
die Weiterfahrt konnten wir die Halterung zunächst wieder zurechtbiegen
aber in Fort Munro mussten wir den angebrochenen Gepäckträger
und die angerissene Kistenhalterung schweißen lassen.
Aufgrund dieses Zwischenfalls entschieden wir uns, nicht mehr bis nach
Dera Ghazi Khan im Industal weiterzufahren, sondern statt dessen in Fort
Munro, das noch in den Bergen lag, zu übernachten, eine Entscheidung,
die sich als äußerst günstig herausstellte, da wir so eine
weitere kühle Nacht hatten, bevor wir ins schwülwarme Industal
hinabfuhren.
Die eng gewundene schmale Passstraße von den Bergen in die
Ebene war der wohl bislang beeindruckendste Streckenabschnitt unserer Reise
und vor lauter Fotostops kamen wir nur langsam voran. Aber auch diese 50
km herrlicher Natur waren irgendwann vorüber und danach konnten wir
auf dem "Indus-Highway" nach Dera Ismail Khan wieder richtig Gas geben.
Ein Baustellenabschnitt, der uns auf schlecht bis gar nicht befestigte
Umleitungen zwang, und die hohe Temperatur in Verbindung mit der hohen
Luftfeuchte machten uns körperlich ganz schön zu schaffen und
so waren wir heilfroh als wir endlich im klimatisierten Hotelzimmer in
Dera Ismail Khan waren.
Die Weiterfahrt nach Islamabad gestaltete sich ähnlich anstrengend
wie die vorherige Etappe, da die Temperaturen nach wie vor bei etwa 40
Grad lagen und uns die Luftfeuchte den Schweiß im Stehen aus allen
Poren trieb. Zum Glück trocknete der Fahrtwind uns einigermaßen.
Gestern (07.07.) versuchten wir, unsere Weiterreise nach China zu organisieren
und das chinesische Reisebüro hörte sich auch recht vielversprechend
an. Da wir jedoch schon oft dieses Gefühl hatten, es könnte klappen,
besorgten wir uns auch gleich noch vorsichtshalber ein nepalesisches Visum.
Am gestrigen Spätnachmittag erlebten wir unseren ersten Monsunregen,
der einem deutschen Sommergewitter vergleichbar war und nach nicht einmal
zwei Stunden wieder vorbei war.
Heute (08.07.) erfuhren wir von dem Reisebüro, dass wir einen
Führer für die Fahrt durch China bräuchten, die komplette
Tour buchen müssten (inkl. Hotels) und die Organisation 2 Wochen
dauern würde, so dass wir China jetzt leider streichen müssen
und dafür nach Indien und Nepal weiterfahren werden. Am heutigen Nachmittag
haben wir noch die größte Moschee der Welt, die Faisal-Moschee,
besichtigt, ein Geschenk des saudischen Königs an das Volk von Pakistan.
14.07.2000 Kaghan - Pakistan
Vor fünf Tagen, am 9.7., sind wir von Islamabad nach Norden aufgebrochen,
um vor der Weiterfahrt nach Indien noch einen Eindruck des pakistanischen
Karakorum-Gebirges zu bekommen.
Zunächst ging es durch herrlich grüne Gebirgslandschaften
auf knapp 3000 m Höhe hinauf, wo die Temperatur nach der Hitze der
vorhergehenden Tage sehr angenehm war. Auf hervorragend ausgebauter Straße
fuhren wir anschließend wieder hinunter zum Karakorum-Highway, auf
den wir in Abbottabad trafen und den wir schon nach wenigen Kilometern
wieder verließen, um zunächst ins Kaghan-Valley zu fahren.
Da die neu gebaute Straße noch nicht ganz fertig war, mussten wir auf der engen, alten Straße fahren und hier machte Stefan die
leidvolle Erfahrung, dass pakistanische Lkw-Fahrer entweder rechtzeitig
Platz machen oder gar nicht, auch wenn die Straße noch so breit ist.
Glücklicherweise kam es nicht zu einem richtigen Zusammenstoß
aber die Stoßstange des Lkw erwischte Stefans seitliche Alubox und riss sie aus der Halterung. Der Gepäckträger war verbogen,
die Alubox total deformiert und zu allem Überfluss wollte Stefans
Motorrad auch nicht mehr anspringen, aber von dem Lkw-Fahrer war nur ein
"Sorry" zu bekommen.
Auf einem leeren, entgegenkommenden Lkw transportierten wir Stefan
und sein Motorrad zurück nach Mansehra, die nächste Stadt. Nachdem
wir in einem Hotel den Schaden analysiert hatten und Stefans Motorrad sich
von dem Schock erholt hatte und wieder tadellos lief, fuhren wir in eine
Werkstatt, die uns die Box wieder einigermaßen zurechtbog.
Am Abend bekam Stefan dann plötzlich hohes Fieber, das sich auch
am nächsten Morgen noch nicht gebessert hatte, so dass wir mittags
einen Arzt aufsuchten, der gleich den Verdacht hatte, es könnte Malaria
sein. Für uns war dies relativ unwahrscheinlich, da Stefan zum einen
seit dem Iran ein Prophylaxemittel nahm und wir zum anderen seit der Türkei
keine einzige Stechmücke gesehen hatten. Am Nachmittag war das Fieber
zwar aufgrund einer Spritze wieder weg aber in den folgenden zwei Tagen
hatte Stefan drei weitere Fieberschübe, die zum Glück immer geringer
ausfielen. In der Zwischenzeit lies Peter für ein paar Mark einen
neuen Boden in Stefans Kiste einsetzen und einen Ölwechsel bei den
Motorrädern durchführen. Die Kiste sieht jetzt fast wieder wie
vorher aus und die Motorräder wurden von zwei kräftigen Monsunregen
auch wieder einmal sauber gewaschen.
Gestern fuhren wir schließlich wie geplant weiter ins Kaghan-Valley,
wo uns die unbefestigte Straße mit ihren Straßenbaustellen
und Schlammlöchern sowie eine heftiger Monsunregen physisch und psychisch
zu schaffen machten, so dass wir froh waren, nach 114 km und fast vier
Stunden reiner Fahrzeit endlich ein Hotel zu finden.
Da Stefan sich die miserablen Straßenverhältnisse nicht
noch weiter antun wollte, kämpfte sich Peter heute alleine noch weiter
zu einem 30 km entfernt auf 3200 m Höhe gelegenen See.
Während unseres krankheitsbedingten Aufenthalts in Mansehra wurden
wir einmal mehr von der Gastfreundschaft der Pakistani überrascht,
so wollten weder der eine Mechaniker, noch der Laborarzt, noch der behandelnde
Arzt eine Bezahlung ihrer Leistungen, und wenn wir jede Einladung zum Tee
annehmen würden, kämen wir überhaupt nicht mehr voran.
20.07.2000 Becham - Pakistan
Der Karakorum-Highway war wohl der bisher landschaftlich beeindruckendste
Teil unserer Reise. Entlang des Indus, der sich wild tosend seinen Weg
durch den Himalaja bahnt, windet sich die kühn in den Fels geschlagene
Straße. Obwohl wir keinen einzigen Tropfen Regen abbekamen, musste sowohl vor uns wie auch hinter uns ein heftiger Wolkenbruch niedergegangen
sein, da auf einmal Hangrutsche uns den Weg versperrten. Trotz des tatkräftigen
Einsatzes etlicher Pakistani, waren die vor uns liegenden Schlamm- und
Geröllmassen nur mit schweren Räumfahrzeugen zu beseitigen. An
diesem Tag war an ein Weiterkommen nicht zu denken, also suchten wir uns
eine Unterkunft in dem Dorf, das wir zuletzt passiert hatten und das glücklicherweise
noch erreichbar war.
Am nächsten Morgen war die Straße wieder befahrbar, wobei
meist eine Fahrspur über die Geröllmassen führte. Nach dem
Dorf Chillas weitete sich das Tal, die Straße war frei und es bot
sich der erste Blick auf den Gipfel des Nanga Parbat (8126 m). Dem kargen
Steintal wurden immer wieder kleine Felder abgerungen auf denen Gemüse
und Obst wachsen. Trotz der Höhe von 1500 m über dem Meer werden
hier Pfirsiche, Aprikosen und Weintrauben geerntet.
Vorbei an Gilgit trafen wir am Abend im Hunzatal ein, von wo aus man
einen traumhaften Blick auf den Rakaposhi (7788 m) hat. Das Hunzatal ist
Ausgangspunkt vieler Treckingtouren, weshalb wir hier auch jede Menge deutscher
Touristen antreffen. Einen Tag lang erkundeten wir das Tal in Richtung
der chinesischen Grenze bevor wir uns wieder auf den Rückweg machten.
Dabei trafen wir ein australisches Pärchen, die auf ihrer Moto Guzzi
über Indonesien, Singapur, Malaysia, Vietnam, Laos, Thailand und Indien
nach Pakistan kamen und nun weiter nach Europa wollten. Wir wollen nun
über das Swat Valley nach Peshawar und von dort nach Lahore, um nach
Indien einzureisen.
28.07.2000 McLeod Ganj - Indien
Vor einer Woche, am 21.07.00, verließen wir das Indus-Tal und
fuhren über den Shang La-Pass weiter ins Swat-Tal. In den Dörfern
unterwegs waren Hunderte von Männern und Kindern zu sehen, was uns
wieder einmal bewusst machte, wie viele Menschen hier auf engsten
Raum leben; schließlich bekamen wir nur die Hälfte der Bevölkerung
zu Gesicht, da Frauen im Straßenbild kaum zu finden waren.
Nach der Überquerung des 1500 m hohen Malakand-Passes stiegen
Temperatur und Luftfeuchtigkeit nochmals merklich an, so dass wir uns nach
einer Unterkunft mit Klimaanlage umsahen, die wir aber erst in Peshawar
fanden. Bei diesem schwülheißen Wetter war eine Klimaanlage
unverzichtbar, um am Morgen ausgeruht aufs Motorrad steigen zu können.
Peshawar war vor allem geprägt durch die kulturelle Vielfalt der
Bevölkerung, wobei afghanische Kriegsflüchtlinge einen großen
Anteil ausmachten. Zu unserer größten Verwunderung wurde Haschisch
ganz offen auf der Straße verkauft, ein Zeichen, dass der Arm der
Regierung in Islamabad nicht mehr ganz bis hierher reicht. Da es am ersten
Tag größtenteils regnete, blieben wir einen weiteren Tag, um
die Stadt genauer kennenzulernen; danach ging es am 24.07 weiter nach Lahore.
Glücklicherweise war der Verkehr angenehmer als erwartet und zusätzlich
hatten wir noch sehr viel Glück mit dem Wetter, da wir kaum nass wurden. Neben der Straße standen aber die Felder durch heftige Regengüsse
unter Wasser. Leider wurden wir von der Polizei am Befahren der modernen
Autobahn von Islamabad nach Lahore gehindert, da Motorrädern die Benutzung
verboten ist. Im Gegensatz zu ihren iranischen Kollegen ließen sich
die pakistanischen Beamten auch nicht durch gutes Zureden umstimmen.
Am Abend hatten wir die 460 km hinter uns gebracht und im YMCA zwei
deutsche Radfahrerinnen und zwei Motorradfahrer (aus England und Frankreich)
getroffen. Letztere bereiteten uns auf den schwierigen Grenzübertritt
nach Indien vor.
Im Vergleich zu Peshawar waren Luftfeuchte und Temperatur in Lahore
nochmals höher und so gestaltete sich der Stadtrundgang wie ein sehr
ausgedehnter Saunabesuch. Jede zweite Chance wurde genutzt, unsere verlorene
Flüssigkeit wieder zu ersetzen. Außer Moscheen, einer Festung
und zahllosen Bauten aus der Kolonialzeit, gab es einen McDonalds, der
für pakistanische Verhältnisse jedoch sehr teuer war. Für
uns aber bedeutet diese amerikanische Fast-Food-Restaurant, dass wir das
erste Mal seit langem bereits bei der Bestellung wussten, was uns
serviert werden wird.
Vor zwei Tagen, am 26.07, überquerten wir die wenig frequentierte
pakistanisch-indische Grenze, wobei die Ausreise aus Pakistan sehr schnell
und unkompliziert abgewickelt wurde. Auf der indischen Seite mussten wir zunächst eine mehrseitige Zollerklärung ausfüllen bevor
unser Gepäck genau inspiziert wurde. Zum ersten Mal mussten wir
unsere Kisten und einen Packsack öffnen und sogar Peters Tank wurde
mit einem Holzstab auf unerlaubte Fremdkörper untersucht. Nach knapp
drei Stunden hatten wir die Grenze endlich hinter uns und wurden sogleich
von fünf Restaurantbesitzern bedrängt in dem jeweiligen Restaurant,
direkt hinter der Grenzschranke, etwas zu essen. Nach einem kleinen Imbiss und 45 Minuten Fahrzeit erreichten wir
Amritsar, wo wir noch am Nachmittag
den Goldenen Tempel, das Heiligtum der Sikhs, besichtigten.
Gestern fuhren wir weiter über Pathankot und Dharamsala hierher
nach McLeod Ganj (der Exilheimat des Dalai Lama und Tausender seiner Anhänger).
Bis zum Fuße der Berge hatten wir herrliches Wetter, dann aber kamen
wir zum zweiten Mal auf dieser Reise in einen starken Regenguss, der
uns zum Anhalten und Unterstellen zwang. Heute regnete es den ganzen Tag
über und eine Wetterbesserung ist nicht in Sicht, zumindest nicht
vor Ende der Regenzeit im September.
Immerhin hatten wir unsere Ankunft hier so glücklich gewählt,
dass wir heute an einer öffentlichen Audienz des Dalai Lama teilnehmen
konnten, die etwa einmal im Monat stattfindet.
10.08.00 Neu Delhi - Indien
Nachdem wir in McLeod Ganj außer schlechtem Wetter und dem Dalai
Lama nichts zu sehen bekommen hatten, fuhren wir in vier Stunden Dauerregen
nach Mandi weiter. Dort kamen wir völlig durchnässt an,
hatten aber Glück, dass uns unser Hotel einen Heizlüfter zur
Verfügung stellte, womit die Motorradbekleidung bis zum nächsten
Morgen wieder trocknete. Auf dem Weg nach Manali besserte sich das Wetter
leicht und wir sahen zum ersten mal seit Tagen wieder die Sonne. Manali
sollte der Startpunkt für die spektakuläre Tour nach Leh werden.
Die Straße führt über vier Pässe (darunter der Taglang
La mit 5328 m) und verläuft durchschnittlich auf über 4000 m.
Aufgrund der Höhe ist diese 475 km lange Route nur drei Monate im
Jahr befahrbar. Den ersten Pass (Rotang La, 3978 m) hatten wir im
dichtesten Nebel erklommen, wobei die Sichtweite teilweise keine 50m betrug.
Kurz vor dem Passsattel trafen wir auf eine Baustelle, die mal eben
die Straße für eine Stunde sperrte.
Gemeinsam mit Hunderten von Tibetern, die alle zu einer Zeremonie des
Dalai Lama ins Spiti-Valley wollten, warteten wir in der nebligen Kälte
auf das Weiterkommen. Endlich durften wir den Pass überqueren
und bei Sonnenschein nach Keylong (3350 m ü. NN) erreichen. Dort erfuhren
wir von dem heftigen Schauern der vergangenen Tage, die hier im Zentralhimalaja
eigentlich sehr ungewöhnlich sind. Es hatte so stark geregnet, dass
die Straße nach Leh wegen Hangrutsche und Schnee auf den Pässen
unpassierbar war. Die offizielle Verlautbarung: in ein bis zwei Wochen
ist die Straße wieder befahrbar!
Da solcherlei Aussagen in Indien im allgemeinen sehr unzuverlässig
sind, entschlossen wir uns, unsere Planung umzuwerfen.
Ursprünglich war geplant, dass Stefan von Leh aus nach Hause fliegt
und Peter weiter durch den Himalaja nach Nepal fährt. Jetzt muss Stefan leider auf die zwei höchsten Pässe der Welt verzichten,
denn wir werden weiter nach Delhi fahren, damit Stefan rechtzeitig zum
1.9 wieder in Deutschland ist. Peter wird von Delhi aus einen zweiten Versuch
unternehmen, die Strecke nach Leh zu meistern, um im Anschluss Nepal
und Tibet zu erobern.
Vor unserer Abreise aus Keylong, genossen wir noch einen letzten Tagesausflug
in ein Seitental nach Udaipur. Es war einfach überwältigend im
Schatten der 6000er zu fahren, zumal die Temperaturen mit 25 bis 30 Grad
angenehm waren und der klare Himmel die Sicht zu den Berggipfeln freigab.
Das schöne Wetter hielt auch noch den nächsten Tag an, als wir
zum zweiten Mal den Rotang La passierten und wieder in das tiefer gelegene
Kullu-Valley kamen. Dabei sahen wir auch zum ersten Mal die sattgrüne
Südseite des Passes, um die uns bei der Hinfahrt der Nebel betrogen
hat. Über Manali ging es weiter nach Shimla, einer alten Kolonialstadt
am Fuße des Himalaja auf 2200 m. Diese Stadt ist mit der ihr zu Füßen
liegenden Tiefebene (ca. 350 m ü. NN) über eine einmalige Eisenbahnstrecke
verbunden. In fünf Stunden Fahrzeit kann man über 800 Brückenbauwerke
überqueren und über 100 Tunnel durchfahren. Natürlich wollten
wir uns eine Fahrt mit diesem Ingenieurshighlight nicht entgehen lassen.
Allerdings ging am dritten Bahnhof unsere Lok kaputt, so dass wir drei
Stunden auf den nächsten Zug warten mussten. Da wir noch am selben
Tag wieder zurück nach Shimla wollten, fuhren wir nur noch zwei Bahnhöfe
weiter und stiegen in einen entgegenkommenden Zug. Der wiederum stand kurz
danach vor einem Hangrutsch. So dass wir im Regen auf einen Räumtrupp
warteten. Mit Schaufeln wurden die Gleise wieder ausgegraben. Als wir in
Shimla endlich ankamen war es bereits dunkel und wir hatten großen
Hunger. Zu allem Überfluss fanden wir lange kein Restaurant,
da an jenem Tag die Geschäfte von Shimla durch Schließung gegen
ein Pilgermassaker in Kaschmir demonstrierten. Um 22.00 Uhr haben wir dann
doch noch in einem kleinen Pizzaladen was bekommen.
Die Weiterfahrt nach Nahan verlief dann, Gott sei Dank, völlig
unspektakulär. Dafür war wieder schwitzen angesagt, denn das
schwülheiße Wetter der Tiefebene hatte uns wieder. Von Nahan
nach Delhi fuhren wir auf einem exzellenten Highway. In Delhi selbst wurde
die Suche nach dem Flughafen zu einer Odyssee im Großstadtmoloch.
Es gab auf der Ringstraße kein einziges Hinweisschild und das was
wir dann (nach 50maligen Nachfragen) als internationalen Flughafen vorfanden,
war ein kleiner Abklatsche des Nürnberger Flughafens. Für Besucher
gab es kein Reisebüro, keine Touristeninfo und keinen Zugang zu den
Schaltern der Airlines. Inzwischen haben wir uns aber zurechtgefunden,
eine Niederlassung der Spedition Schenker (für das Motorrad) und ein
Reisebüro gefunden. Da über das Wochenende nicht gearbeitet wird
und nächsten Dienstag der indische Nationalfeiertag ist, haben wir
uns entschlossen, in den nächsten Tagen nach Agra zu fahren, um dort
das weltberühmte Taj Mahal zu!
besichtigen. Sein Anblick soll vor allem bei Vollmond atemberaubend
sein. Am Sonntag den 20. August trennen sich dann die Wege von Stefan und
Peter.
17.08.2000 Neu Delhi - Indien
Es hatte sich eigentlich alles recht vielversprechend angehört,
als wir uns vor einer Woche bei einer großen deutschen Spedition
hier in Delhi nach den Konstitutionen für den Rücktransport von
Stefans Motorrad erkundigten, aber als wir gestern das Motorrad wie ausgemacht
in der vorbereiteten Kiste verstauen wollten, stellte sich heraus, dass
die Kiste noch nicht fertig war und noch viele andere Fragen ungeklärt
waren. Wir wurden den Eindruck nicht los, dass diese große Spedition
zum ersten Mal mit dem Transport eines Fahrzeugs konfrontiert war und dementsprechend
schwammig waren die erhaltenen Auskünfte. Allein die Frage, ob es
möglich sei, normales Gepäck zusammen mit dem Motorrad zu verschicken,
wurde uns erst mit "Nein", dann mit "Ja", schließlich wieder mit
"Nein" und letztlich doch mit "Ja" beantwortet. Ähnlich unzuverlässig
war die Aussage bezüglich der Kosten, so dass zunächst Luft-
und Seeweg etwa gleich teuer sein sollten, letztendlich der Luftweg aber
doch!
teurer als der Seeweg und doppelt so teuer wie am Anfang war. Ein Drama
für sich war schließlich noch der Papierkram, der ursprünglich
gestern Abend (16.8.) abgewickelt werden sollte. Da hieß es dann,
dass die Papiere bis heute Morgen zur Unterschrift fertig gemacht würden
und als Stefan diese leisten wollte, wurden ihm nur leere Blankoformulare
vorgelegt, so dass es noch einmal 2 Stunden dauerte, bis endlich die fertigen
Fracht- und Versicherungspapiere vorlagen. Dass der zuständige Sachbearbeiter
behauptete, derzeit 12 Motorräder nach Europa zu verschicken, hört
sich bei der uns dargebotenen nicht vorhandenen Routine als der Witz des
Jahres an, wobei uns das Lachen seit gestern gründlich vergangen ist.
Ach so, am Wochenende waren wir noch in Agra und haben das Taj Mahal
besichtigt. Gemeinsam mit Tausenden von Touristen durften wir die filigrane
Handwerkskunst dieses indischen Wahrzeichens bewundern. Zu gerne hätten
wir auch gesehen wie der Sonnenuntergang das weiße Marmorbauwerk
in rotes Licht taucht, aber leider versagte uns eine dichte Wolkenschicht
am Horizont diesen Anblick.
Morgen trennen sich unsere Wege. Peter fährt wieder zurück
in den kühleren Norden Indiens und Stefan darf sich noch ein bis zwei
Tage mit unfähigen indischen Spediteuren herumärgern, ehe er
ins wohl noch kühlere Deutschland zurück fliegt.
_____________________
25.08.2000 Leh - Indien
Vor genau einer Woche, am 18.8., bin ich von Delhi aufgebrochen und
auf schnellstem Wege nach Norden gefahren, um der Schwüle des Flachlandes
zu entkommen. Sobald ich aber den Fuß der Berge bei Chandighar erreichte,
wurde ich von dem einsetzenden Regen daran erinnert, dass die Monsunzeit
noch nicht vorbei war. Zum Glück regnete es nicht lange aber bis Shimla musste
ich auf den nassen kurvenreichen Bergstraßen entsprechend
vorsichtig fahren.
In Shimla wollte mich ein übereifriger Polizist nicht zu dem Hotel
fahren lassen, zu dem ich gerne wollte, weil die letzten 30 m für
Fahrzeuge gesperrt waren. Also fuhr ich eben von der anderen Seite zu dem
Hotel, wo kein Verbotsschild und auch kein Polizist standen. An den folgenden
beiden Tagen (19. + 20.8) fuhr ich bei herrlichem Wetter durch die Berge
nach Mandi und weiter nach Manali. Da ich die Stadt mittlerweile recht
gut kenne, ging es gleich am nächsten Tag die knapp 2000 m zum Rotang-Pass
hinauf und auf der anderen Seite wieder knapp 1500 m hinunter ehe die Straße
noch einmal 800 m ins 3350 m hoch gelegene Keylong anstieg. Nach der billigsten
Nacht der Reise für 1,50 DM im Schlafsaal eines Hotels nahm ich die
nächsten 110 km bis zur 4250 m hoch gelegenen Zeltstadt Sarchu in
Angriff. Unterwegs traf ich drei Franzosen und einen Nepalesen, die zusammen
auf drei indischen Enfield-Motorrädern unterwegs waren, wobei der
eine Franzose mit seinem nepalesischen Sozius die Serpentinen zum 4892
m hohen Baralacha-Pass hinaufraste, als ob ihn der Teufel geritten hätte.
Wie sich oben herausstellte war es aber schon das dritte Mal, dass er die
Strecke fuhr, und somit kannte er wohl schon jede Kurve und jedes Schlagloch
persönlich.
Bei Sarchu zeltete ich etwas abseits von den anderen Reisenden zusammen
mit den vier Motorradfahrern. Vor dem Schlafengehen machte sich die Höhe
auch bei mir durch leichte Kopfschmerzen bemerkbar aber Dank der Schmerztablette
eines großen deutschen Chemieunternehmens war dieses Problem im Gegensatz
zu den kühlen 5 Grad schnell behoben. Eigentlich sollte mein Schlafsack
ja bis -10 Grad gemütlich sein, aber so richtig warm war mir in dieser
Nacht nicht. Vermutlich hat der Schlafsack unter dem dreimonatigen Komprimieren
auf sein Minimalvolumen etwas von seiner Isolationswirkung eingebüßt.
Vorgestern (23.8.) bewältigte ich schließlich den Rest der
Strecke nach Leh über den Lachalang-Pass (5065 m) und den Tanglang-Pass
(5360 m). Aufgrund der herrlichen warmen Brauntöne der Landschaft,
die im Kontrast zu einem strahlend blauen Himmel standen, erinnerte mich
die Landschaft stark an Island (siehe Bilder vom Kerlingarfjöll unter
"bisherige Reisen" - "Island"). Etwa 40 km der Strecke verliefen auf einer
4700 m hoch gelegenen grünen Ebene, die zu beiden Seiten von kargen
Bergen begrenzt war. Im Licht der tiefstehenden Abendsonne erreichte ich
nach 275 anstrengenden Kilometern Leh, wo ich in einem privaten Gästehaus
ein Zimmer bekam und, wie es anscheinend in indischen Gästehäusern
üblich ist, mit der Familie zu Abend essen durfte.
Gestern gestattete ich meinem Motorrad und meinem Hinterteil einen
Tag Erholung und sah mich zu Fuß in Leh und seinen teuren Souvenirläden
um, wo einem die Verkäufer alles möglich aufdrängen wollen,
wenn man nur den Laden betritt. Bei meinem Rundgang durch Leh traf ich
Carolin, eine deutsche Touristin, die ebenfalls alleine unterwegs ist und
mit mir mit dem Motorrad ins Nubra-Tal fahren möchte. Mal sehen, ob
das klappt, schließlich bin ich so schon ganz gut beladen.
03.09.2000 Keylong - Indien
Am 25.8. machte ich mit Carolin einen Motorradausflug zu den Klöstern
der Umgebung, um zu sehen, ob sie wirklich mit mir über den höchsten
befahrbaren Pass der Welt, den Khardung La (5602 m), ins Nubra-Tal
fahren wollte, aber anscheinend war mein Motorrad immer noch bequemer als
indische Reisebusse.
Der Fahrt ins Nubra-Tal stand also nichts im Wege und so brachen wir
am folgenden Tag (26.8.) mit reduziertem Gepäck auf und haben den
Khardung-Pass auf gut ausgebauter Straße zügig erklommen, wobei
das Fahren mit Sozia besser ging als ich erwartet hatte. Nach einer Übernachtung
in Diskit, der Besichtigung des dortigen Klosters und einem Ausflug in
die Sanddünen zwischen Diskit und Hunder ging es am nächsten
Tag zurück nach Leh. Etwas unterhalb der Passhöhe hatte
ich dabei noch mit einem Bach zu kämpfen, der die Straße überflutet
und in dem ich das Motorrad festgefahren hatte. Nach einiger Anstrengung
ging es mit nassen Füßen weiter. Carolin war zum Glück
schon vorher abgestiegen und schaute sich das Ganze vom trockenen Ufer
aus an.
Eigentlich wollte sie am 28.8. mit dem Bus Richtung Delhi aufbrechen,
aber da vor dem 31.8. kein Bus zu bekommen war, beschlossen wir, noch gemeinsam
zum Pangong-See zu fahren. Nachdem wir uns die nötige Genehmigung
besorgt haben, fuhren wir am 29.8. mit etwas mehr Gepäck los, da wir
Zelt, Schlafsäcke und Nahrung mitnehmen mussten. Die Straße
über den zweithöchsten befahrbaren Pass (5599 m) war glücklicherweise
erheblich besser als die Beschreibung im Reiseführer vermuten lies,
so dass wir für die 160 km bis zum See nicht einmal 5 Stunden benötigten.
Unser Zelt schlugen wir etwa 50 m vom Ufer des auf 4300 m Höhe
gelegenen Sees auf, der zu drei Vierteln in Tibet liegt. Bis zum Morgen
des 31.8., als wir den Rückweg nach Leh antraten, bekamen wir keinen
Menschen zu Gesicht und nur gelegentlich verriet ein entferntes Motorengeräusch,
dass wir nicht die einzigen Menschen an diesem abgelegenen Ort waren. Wie
auf dem Hinweg, wurden wir auch auf dem Rückweg von den freundlichen
Soldaten eines Kontrollpostens zum Tee eingeladen, den wir nach dem spärlichen
Frühstück gerne annahmen.
Vorgestern (1.9.) erlebten wir noch den Eröffnungsumzug und die
Eröffnungszeremonie des Ladakh-Festivals, das bis zum 15.9. an verschiedenen
Orten rund um Leh stattfindet. Gestern Morgen (2.9.) trennten sich unsere
Wege wieder. Carolin brach um 4 Uhr mit dem Bus nach Manali auf und ich
machte mich sechs Stunden später auf den gleichen Weg. Nach 200 Kilometern
und einem Abstecher zum Kar-See musste ich in der Zeltstadt Pang mein
Zelt aufbauen, da man nur bis 13 Uhr weiterfahren durfte, ich aber erst
gegen 15 Uhr ankam. Nach einer eiskalten Nacht auf etwa 4600 m Höhe
und Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt ging es heute bei herrlichstem
Wetter weiter nach Keylong, wobei mir die Straße größtenteils
alleine zu gehören schien.
11.09.2000 Mahendranagar - Nepal
Am 4.9. bin ich von Keylong nach Manali aufgebrochen aber schon nach
wenigen Kilometern war die Fahrt erst einmal zu Ende weil ein Felssturz
die Straße blockierte. Einige Arbeiter versuchten, mit Brechstangen
die Felsbrocken von der Straße zu bringen aber bei dem Ausmaß
des Felssturzes konnte das ewig dauern. Ich dachte schon über mögliche
Alternativrouten nach aber eine andere Straße gab es nicht und so
hätte ich nur versuchen können über sogenannte "jeepable
Roads", also Straße für Geländefahrzeuge, nach Dharamsala
zu kommen, was aber einen Umweg von mindesten 250 km bedeutet hätte.
Zum Glück erschien nach einigen Minuten eine Planierraupe und die
optimistischen Inder gingen davon aus, dass somit innerhalb von zwei Stunden
die Straße wieder passierbar wäre. Ich war da eher skeptisch
und rechnete mit etwa vier Stunden Wartezeit aber nach drei Stunden in
der prallen Sonne durfte ich endlich als einer der ersten weiterfahren
und hatte somit bis nach Manali freie Fahrt weil alle langsameren Fahrzeuge
hinter mir waren.
Auf meinem weiteren Weg nach Nepal wollte ich solange wie möglich
in den Bergen bleiben, wo es nicht ganz so schwülheiß war wie
in der Ebene, und dabei ließ ich mich auch von kleinsten Nebenstraßen
nicht abschrecken. Auf dem Weg von Manali nach Narkanda am 5.9. wurde ich
kurz nach der Überquerung des 3200 m hohen Jalori-Passes abermals
von einem Erdrutsch aufgehalten bei dem wieder größere Felsbrocken
und Geröll die Straße blockierten. Auch hier gab es keine Alternativroute,
die nicht einen großen Umweg bedeutet hätte, so dass ich nur
warten konnte, bis die etwa 20 mit Brechstangen, Schaufeln und Pickeln
ausgerüsteten Arbeiter die Straße nach zwei Stunden so weit
geräumt hatten, dass ich mit meinem Motorrad passieren konnte. Für
die wartenden Autofahrer dauerte es wohl noch etwas länger aber auch
für mich bedeutete es keineswegs freie Fahrt, denn schon einige Kilometer
weiter versperrte ein reisender Wasserfall, der direkt auf die Straße
plätscherte, die Weiterfahrt. Die Wassermassen mussten von einem
heftigen Gewitterregen gestammt haben, den ich glücklicherweise nicht
erlebt habe und so hieß es abermals "Warten" bis der Wasserfall in
seiner Gewalt etwas nachgelassen hatte. Durch die beiden Hindernisse verzögerte
sich meine Fahrt insgesamt, so dass ich zum ersten Mal während der
gesamten Reise bei Dunkelheit fahren musste.
Auf zum Teil unbefestigten Straßen, die an Forststraßen
in den Alpen erinnerten, ging es am 6.9. weiter nach Mussoorie. Unterwegs
erfuhr ich, dass etwa 80 km meiner geplanten Route durch ein Gebiet führten,
das für Ausländer gesperrt ist, aber da mich weder eine Schranke
noch irgendein Wachposten aufhielten, habe ich das umgeknickte Verbotsschild
einfach übersehen. Beim Verlassen des Gebiets hätte ich dann
doch fast noch Probleme bekommen aber der Soldat, der mich aufgehalten
hat, konnte zum Glück kein Englisch und so bin ich nach kurzem Anhalten
einfach weitergefahren. Bei einsetzendem Nieselregen habe ich nach über
acht Stunden reiner Fahrzeit den in dichte Wolken gehüllten Ferienort
Mussoorie auf etwa 2000 m Höhe erreicht. Am folgenden Tag riss die Wolkendecke gelegentlich auf, so dass sich erahnen lies, wie schön
die Stadt gelegen ist. Leider hängen während der Monsunzeit häufig
Wolken direkt in der Stadt, so dass man von dem herrlichen Ausblick nichts
sieht und die Kleidung eher feucht als trocken wird, wenn man sie im Zimmer
aufhängt.
Nach einem Tag Fahrt ohne Hindernisse (8.9.), war die Straße
nach Almora wiederum durch einen Erdrutsch versperrt. Zum Glück wurde
ich gleich auf eine Alternativroute aufmerksam gemacht, die auf meiner
Karte nicht eingezeichnet ist, aber auch hier versperrte nach einigen Kilometern
ein riesiger Felsblock die Straße. Das Hindernis musste ganz
frisch sein, da erst ein paar Autos warteten aber immerhin war schon ein
"Sprengmeister" da, der versuchte, den Block mit einer Detonation zu zertrümmern,
wobei jedoch der erste Versuch fast ohne Wirkung blieb. Zum Glück
war zwischen dem Felsblock und dem Abgrund noch etwas Platz, so dass ich
mit Müh und Not und der Hilfe von ein paar Indern mein Motorrad an
dem Hindernis vorbeibugsieren konnte und meine Fahrt fortsetzte bevor es
zu einer zweiten Sprengung kam.
Am Sonntag, den 10.9. kam ich nach Nainital, wo Tausende von Indern
ein hinduistisches Fest feierten, weshalb ich schon befürchtete, nur
schwer ein Hotel zu finden, aber die meisten Inder verließen am Abend
wieder die Stadt, so dass ich der einzige Gast in der Jugendherberge war.
Heute (11.9.) habe ich Indien verlassen, wobei der Grenzübertritt
mit allen Formalitäten innerhalb von nur einer Stunde über die
Bühne gegangen wäre, wenn ich nicht zwei Stunden auf einen Zollbeamten
hätte warten müssen, der gerade Mittagspause machte.
Jetzt bin ich also in Nepal und schon gespannt, was sich hier gegenüber
Indien ändert und ob die Straße auf den kommenden Kilometern
wirklich noch so schlecht ist, wie im Reiseführer beschrieben.
17.09.2000 Pokhara - Nepal
Es ist unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Jetzt bin ich doch
tatsächlich schon eine Woche in Nepal und es kommt mir so vor, als
hätte ich erst gestern Indien verlassen.
Von Mahendranagar aus bin ich am 12.9. weiter zum "Royal Bardia National
Park" gefahren. Die Straße war entgegen meinen Befürchtungen
ganz hervorragend, allerdings sind einige Brücken erst in diesem Jahr
fertiggestellt worden und wie es vorher war, möchte ich lieber nicht
wissen. Da in Nepal noch weniger Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs
sind, konnte ich zwischen den Ortschaften mal wieder richtig Gas geben
und auch den 4. und 5. Gang meines Motorrads benutzen.
Am 13.9. machte ich mit einem anderen Münchner Studenten und zwei
Führern eine Wanderung durch den Dschungel in der Hoffnung, ein Krokodil,
ein Nashorn, einen Elefanten oder gar einen Tiger zu Gesicht zu bekommen.
Außer Hirschen, Affen und verschiedenen Vögeln bekamen wir aber
nur Blutegel zu Gesicht, die ständig an unseren Beinen hochwanderten
und nach bloßer Haut suchten, wo sie sich festsaugen konnten. Bei
mir wurden sie am Bauch fündig weil ich dummerweise mein Hemd am Anfang
über die Hose hängen hatte und ich merkte es erst, als ein großer
Blutfleck mein Hemd zierte. Nach elf Stunden im schwülen Dschungel
war ich ziemlich erschöpft und total durchgeschwitzt, so dass ich
am Tag darauf etwas Ruhe brauchte und mich nicht allzu weit von meiner Unterkunft
entfernte, was aber an den Schweißmengen, die ich im Laufe des Tages
absonderte, nicht viel änderte. Eigentlich wäre ich ja gerne
noch ein paar Tage an diesem ruhigen Ort am Rande des Dschungels geblieben
aber die Hitze machte mir zu sehr zu schaffen, so dass ich lieber weiter
über Tansen nach Pokhara fuhr.
Bis Tansen war die Straße hervorragend, wenn man von den zahllosen
Stellen absieht, an denen die Überreste von weggeräumten Erdrutschen
auf der Straße zu finden waren.
Dagegen war die Strecke von Tansen nach Pokhara zu zwei Dritteln eine
einzige Schlaglochpiste auf der ich nur langsam voran kam. Leider war weder
in Tansen noch in Pokhara bisher etwas von den herrlichen Panoramen des
Himalaja zu sehen weil eine dichte Wolkendecke die Sicht versperrte. Hoffentlich
wird es in den nächsten Tagen etwas besser, schließlich habe
ich mich doch dazu entschlossen, am 19.9. zu einem 8-Tages-Trek zwischen
dem Dhaulagiri und dem Annapurna zu starten.
28.09.2000 Pokhara - Nepal
Die zwei Tage (17. und 18.9), die ich in Pokhara verbrachte, bevor ich
zu meinem Treck aufbrach, waren von miserablem Wetter geprägt. Spätestens
mittags fing es an wie aus Kübeln zu schütten und dann regnete
es durch bis spätabends. Die Wassermassen, die da vom Himmel stürzten,
waren echt enorm und so ist es für mich nicht weiter verwunderlich,
wie es hier im Juli so viel regnet, wie in München im ganzen Jahr.
Am 19.9. ging es um halb sieben Uhr morgens mit dem Flugzeug nach Jomsom
auf etwa 2800 m über dem Meer. Von dort stieg ich in etwa sechs Stunden
hinauf ins 3800 m hoch gelegene Muktinath, einem bedeutenden Wallfahrtsort
der Hindus. Zum Glück regnete es hier nördlich des Annapurna-Massivs
nicht, aber von den Bergen war ebenfalls kaum etwas zu sehen, da sie in
dicke Wolken gehüllt waren. In den folgenden Tagen ging es zunächst
kontinuierlich auf etwa 1200 m hinunter und danach noch einmal 2000 m hinauf
auf den 3200 m hohen Poon Hill von dem ich am Morgen des 25.9. einen phantastischen
Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Dhaulagiri- und des Annapurna-Massivs
hatte. Der folgende Abstieg auf 1000 m war der unangenehmste Teil des Trecks,
da ich in meinen Motorradstiefeln keinen optimalen Halt hatte und auch
schon mit ein paar Blasen an den Füßen zu kämpfen hatte.
Vorgestern (26.9.) ging es die letzten Kilometer bis auf den Aussichtspunkt
"Sarangkot" 2 Stunden vor Pokhara, wo ich gestern (27.9.) Morgen den Sonnenaufgang
mit einem herrlichen Blick auf die Berge erlebte.
Nach meiner Rückkehr nach Pokhara am gestrigen Vormittag lies
ich mir in einem Massagestudio meine verspannten Schultern durchkneten.
Am Abend wollte ich nach 12 Tagen einmal wieder eine Runde mit meinem Motorrad
drehen, aber der Kickstarter lies sich keinen Millimeter bewegen. Vermutlich
war irgendein Teil durch den vielen Regen leicht eingerostet, denn nachdem
ich die Kurbelwelle mit einem Schraubenschlüssel und viel Gewalt ein paar Mal
gedreht hatte, sprang das Motorrad wieder an, so dass ich mir die
Umgebung von Pokhara ansehen konnte.
17.10.2000 München - Deutschland
Von Pokhara fuhr ich am 29.9. weiter in Richtung Kathmandu, machte aber zunächst in Gorkha Halt und besichtigte den alten Königspalast. Zwei freundliche junge Nepalesen führten mich dabei etwas herum und erklärten mir einiges, allerdings nicht aus reiner Freundlichkeit, sondern weil sie hinterher eine Bezahlung für ihre Reiseführerdienste wollten. Später machte ich in ähnlichen Fällen von vornherein klar, dass ich nichts bezahlen würde weil ich keine Führung wollte und so wurde ich die Leute ganz schnell wieder los. Den beiden Jungs in Gorkha gab ich eine Kleinigkeit, mit der sie jedoch nicht zufrieden waren.
Gorkha, das ist der Innbegriff für Mut und Ausdauer und die Bezeichnung der nepalesischen Söldner, die noch heute in der indischen und britischen Armee dienen und nie ohne ihr typisches zur Schneide gekrümmtes Messer anzutreffen sind. Auch in Gorkha trugen viele der Männer diese traditionelle Waffe. Nach einer Übernachtung in dem recht noblen aber dennoch preiswerten "Gorkha Inn" ging es am folgenden Tag (30.9.) weiter nach Daman, das auf etwa 2300 m Höhe zwischen Kathmandu und Hetauda gelegen ist und bei klarem Wetter einen herrlichen Blick auf die Himalaya-Kette bietet, vom Dhaulagiri im Westen bis zum Mt. Everest im Osten. Am Abend fror ich bei 14 Grad in dem Hotel trotz zweier Pullover und wunderte mich über die Einheimischen, die barfuss und im T-Shirt herumliefen, aber ich war derartig kühle Temperaturen einfach nicht mehr gewöhnt. Entlohnt wurde ich am nächsten Morgen durch klare Sicht und einen herrlichen Sonnenaufgang von dem Aussichtsturm des Ortes.
Mein nächstes Ziel war wiederum ein bekannter Aussichtspunkt; Nagarkot, einige Kilometer östlich von Kathmandu. Dort hatte ich nicht ganz so viel Glück mit dem Wetter, aber immerhin war der Blick nach Osten fast wolkenfrei. Bevor ich endgültig Kathmandu ansteuerte, machte ich noch einen Zwischenstop in der nahezu autofreien Stadt Bhaktapur. Am 3. Oktober legte ich schließlich die letzten knapp 20 km ins Zentrum der Hauptstadt zurück und erfuhr dort, dass ich mein Motorrad frühestens am 13.10. verschicken konnte. Der Grund hierfür lag in dem Dasain-Festival, dem wohl wichtigsten hinduistischen Fest, das am 4.10. begann und bis 12.10. dauerte, wobei in dieser Zeit sämtliche Behörden geschlossen waren. In der Zwischenzeit machte ich ausgiebige Besichtigungen in Kathmandu und in der Umgebung, sah mir die Eröffnung des Festivals und eine große Zeremonie an, bei der zahlreiche Ziegen und junge Wasserbüffel geopfert wurden. In Pashupathnath konnte ich mehrere Totenverbrennungen aus der Nähe ansehen und in Bodhnath und Swayambhunath besichtigte ich zwei große Stupas, buddhistische Sakralbauten.
Am 7.10. traf ich mich mit einem Engländer und zwei Dänen, die ich beim Trekking kennengelernt hatte, um gemeinsam das Fußballspiel England gegen Deutschland anzusehen. Natürlich wurde es entgegen der Ankündigung des Barbesitzers doch nicht übertragen aber Hauptsache man sagt vorher erst einmal "ja". Typisch Asien! Nach über einer Woche in Kathmandu war es am 13.10. endlich soweit, dass das Motorrad verpackt, verzollt und am Flughafen abgegeben wurde. Eigentlich dachte ich, dass die Holzkiste so groß würde, dass ich das Motorrad im Ganzen hineinstellen könnte, aber am Morgen des 13.10. erfuhr ich, dass das Volumen in ein Gewicht umgerechnet wird und bei der ursprünglichen Größe der Kiste hätte ich sage und schreibe 500 kg bezahlen müssen. Also musste ich durch Ausbauen der Räder und Abbauen des Lenkers und des Tachos das Volumen minimieren, so dass letztendlich ein Gewicht von 281 kg errechnet wurde. Das Verpacken nahm fast den ganzen Tag in Anspruch aber dafür machte der Spediteur einen wesentlich kompetenteren und zuverlässigeren Eindruck als sein indischer Kollege bei der großen deutschen Spedition in Neu Delhi, mit der Stefan zu kämpfen hatte.
Meine letzten beiden Tage in Nepal (14. und 15.10) nutzte ich noch zum
Einkaufen von einigen Souvenirs und Geschenken, bevor es schließlich am Morgen
des 16.10. mit Qatar Airways über Doha zurück nach München ging. Nach knapp
fünfeinhalb Monaten und fast 21000 Kilometern im Sattel meines Motorrads bin
ich nach etwa 12 Stunden Flugzeit um 17 Uhr 40 in München gelandet.